Orientierungslos

Orientierungslos
Shanghai Wegweiser

In den letzten Wochen habe ich einige Inhouse-Seminare bei unterschiedlichsten Organisationen sowohl der Privatwirtschaft als auch des öffentlichen Sektors gegeben. Alle legten einen Schwerpunkt auf persönliches Wissensmanagement bzw. eine Art bottom-up empowering des einzelnen Wissensarbeiters.

Dagegen ist nun nichts einzuwenden. Meine Lieblings- (und auch eigene) Definition von Wissensmanagement ist ja auch, dass Wissensmanagement förderliche Rahmenbedingungen für produktive Wissensarbeit gestaltet. D.h. im Mittelpunkt steht die Wissensarbeit und damit der (einzelne) Wissensarbeiter. Eine Befähigung zur produktiveren Wissensarbeit ist also ein wesentliches Element dieses Rahmens. Aber ein Rahmen besteht nicht aus nur einem Element – wäre doch ganz schön löchrig, gell?

Mich beschleicht zunehmend das ungute Gefühl, dass Organisationen sich – nach wie vor – scheuen, das dicke Brett eines echten organisationalen Wissensmanagements zu bohren und stattdessen versuchen ganz smart den Ball an die Mitarbeiter zu spielen. Nach dem Motto: Wenn jeder für sich ein gutes Wissensmanagement macht, dann passt es auch für die Organisation.

Nun ist aber bekanntermaßen eine Organisation mehr als die Summe ihrer Mitglieder. Und persönliches Wissensmanagement stößt ohne ein kompatibles organisationales allzu rasch an seine Grenzen.

Und das merke nicht nur ich als bekennende WM-Strategie-Predigerin, sondern auch die Mitarbeiter selbst. In allen Seminaren der letzten Wochen wurde nämlich ein organisationsweiter Orientierungsrahmen in Sachen Wissensmanagement schmerzlich vermisst und deutlich eingefordert. Ob diese Forderung nun aber auch an der richtigen Stelle gehört wird…? Die Führungskräfte waren bei allen Trainings sehr dünn gesät.

 

P.S.: Eine Lernende Organisation ist auch mehr als eine Organisation, die ihren Mittgliedern ermöglicht individuell zu lernen, oder etwa nicht?

 

Neues White Paper zu Wirkungsmessung im Wissensmanagement veröffentlicht

Neues White Paper zu Wirkungsmessung im Wissensmanagement veröffentlicht
Abgepacktes Wissen

Im Rahmen meiner Zusammenarbeit mit der DGQ, der Deutschen Gesellschaft für Qualität, habe ich ein weiteres DGQ White Paper veröffentlicht. Dieses Mal geht es um die (Un-)Möglichkeiten zur Wirkungsmessung im Wissensmanagement – natürlich vor dem aktuellen Hintergrund der ISO 9001:2015, aber nicht nur. Schauen Sie mal rein!

Und falls Sie mein erstes DGQ White Paper darüber, warum Lessons Learned (nicht) funktionieren verpasst haben, hier ist es.

Und schließlich, falls Ihnen diese White Papers Spaß machen: Bald wird es ein drittes in dieser kleinen Reihe geben, dieses Mal zum Thema Community.

Viel Spaß beim Lesen an einem hoffentlich entspannten und sonnigen Tag der Arbeit.

Ihre Gabriele Vollmar

Freiwiligkeit motivieren

Freiwiligkeit motivieren
Ehrenamt

Peter Drucker war schon in den 80er Jahren überzeugt: „In der Wissensgesellschaft gibt es nur Freiwillige.“

Nehmen wir diese Aussage nun einmal ernst und stellen uns die Frage: Was motiviert Freiwillige?

Motivationsfaktoren für freiwilliges Engagement sind:

  • Sinnhaftigkeit der Tätigkeit (Wozu?)
  • Wertschätzung
  • Soziale Interaktion
  • Selbstbestimmung
  • Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung
  • Möglichkeiten zur Mitgestaltung (z. B. der Strategie)

Übertragen auf das Wissensmanagement einer Organisation bedeutet dies:

  • Ziele und Nutzen sind klar (kommuniziert) und wahrnehmbar und persönlich erfahrbar.
  • Die Führungskräfte schätzen das Wissen ihrer Mitarbeiter sowie deren Bereitschaft, dieses Wissen in der Organisation einzubringen. Und sie bringen diese Wertschätzung deutlich zum Ausdruck.
  • Wissensmanagement verlangt nicht nur Wissen in Datenbanken o.ä. zu dokumentieren, sondern bietet Raum und Anlässe für Interaktion und Kommunikation (unmittelbaren Wissensaustausch).
  • Der Mitarbeiter kennt die Rahmenbedingungen für seine Wissensarbeit, kann sich in diesem Rahmen aber weitgehend selbstbestimmt bewegen.
  • Wissensmanagement unterstützt die persönliche Entwicklung.
  • Wissensmanagement wird partizipativ gestaltet.

Vielleicht sind diese Faktoren nachhaltiger wirksam als viele Anreizsysteme?

 

Bild: Stiftung Naturschutz Berlin

Mehr Demokratie!

Diese Woche erreichte mich eine Meldung der GfWM, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:

Studie zu innovationsförderlichen Arbeitswelten: Überraschend starker Wunsch nach Freiheit und Demokratie

Eine aktuelle Befragung im Auftrag der Gesellschaft für Wissensmanagement e.V. (GfWM), der ZukunftsAllianz Arbeit & Gesellschaft e.V. (ZAAG) und des Personaldienstleisters Hays zeigt, was Berufstätigen wichtig ist, um in ihrem Arbeitsumfeld innovativ zu sein. Die Studie wurde am heutigen Dienstag in Berlin vorgestellt.

Berlin/Frankfurt, 04.10.2016. Der Ruf nach freiheitlichem Arbeiten ist in Deutschland stark: Zwei von drei Berufstätigen wollen mehr Freiheit und Souveränität bei der Gestaltung ihrer Arbeit. Zudem wünschen sie deutlich mehr Demokratie: Drei von vier würden ihr Engagement erhöhen, wenn sie über neue Produkte und Entwicklungen mitentscheiden dürften. Und 80 Prozent meinen, dass mit einer stärkeren Teilhabe an firmenrelevanten Entscheidungen die Produktivität ihres Unternehmens steigen würde. Stärker Einfluss nehmen möchten Berufstätige auch beim Thema Führung: 85 Prozent der Befragten möchten schlechte Führungskräfte gerne abwählen, 70 Prozent möchten Führungskräfte nur auf Zeit wählen. Aus gutem Grund: Vier von zehn Berufstätigen finden, dass die Führungskräfte in ihrem Unternehmen Veränderungen blockieren und neue Ideen abprallen lassen. Dies sind die Kernergebnisse einer empirischen Befragung von knapp 1.200 Berufstätigen, die die TU München im Auftrag der ZukunftsAllianz Arbeit & Gesellschaft, der Gesellschaft für Wissensmanagement und des Personaldienstleisters Hays durchgeführt hat.

In Sachen Freiheit zählen für die befragten Berufstätigen ihre individuellen Freiheitsräume deutlich mehr als strukturelle innerhalb ihrer Organisation. So erzielen die freie Wahl von Arbeitszeit und -ort, Vertrauen in die Mitarbeiter und Freiheit für den eigenen Stil stärkere Zustimmungen als flexible Organisationsstrukturen. Neben der Einflussnahme auf ihre eigenen Arbeitsbedingungen erwarten die Befragten vor allem eine Stärkung der Experimentierkultur in ihrem Unternehmen, um innovativer zu agieren.

„Damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihr Wissen und ihre Potenziale optimal einbringen können, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Die Befragung zeigt, dass es hier noch viel Nachholbedarf hinsichtlich freiheitlicher und partizipativer Konzepte gibt. Gleichwohl existiert eine Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme, wenn insbesondere Einflussnahme auf eigene Arbeitsbedingungen, auf Vertrauen basierende Führung oder individuelle Experimentierräume gefordert werden“, führt Dr. Stefan Rehm, Präsident der GfWM, aus.

Thomas Sattelberger, Vorstandsvorsitzender der ZAAG ergänzt: „Es ist höchste Zeit, mit neuen Arbeits- und Führungsformen zu experimentieren. Althergebrachte Hierarchien, eine antrainierte Kultur der Abhängigkeit und unflexible Arbeitsprozesse behindern Innovation und Veränderungsgeist. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es mehr Freiheit und Partizipation in deutschen Unternehmen.“

Für die Studie befragte der Lehrstuhl für Strategie & Organisation der Technischen Universität München im Februar insgesamt 1.180 Berufstätige im Alter von 16 bis 65 Jahren über Branchen, Unternehmensgrößen und Positionen hinweg. Im Rahmen der Online-Befragung bewerteten sie, welche Dimensionen und Kriterien ein innovatives Arbeitsumfeld auszeichnen.

Zum Download der Studie.

Was ist ein Team?

Was ist ein Team?
Frauenfußball D-Jugend Berlin

Diese Woche wurde ich in einem Interview für ein neues Projekt gefragt, wie ich ‚Team‘ definiere. Hier die Definition, die mir spontan im Gespräch eingefallen ist (das Interview war in englischer Sprache, daher auch die Definition):

A team is a group of (diverse) persons sharing a goal or even a vision and knowing and trusting each other well enough to also share their individual knowledge and experiences, ideas and creativity, and, not least, their workload.  At its best, a team is a learning organization generating synergy, knowledge and fun and ending up with more than the mere sum of its single parts.

Was meinen Sie? Trifft es das? Sind Sie Teil eines solchen Teams? Was braucht es, damit ein Team sich dahin entwickelt?

Ich freue mich auf Ihr Feedback.

 

Bild: http://www.tip-berlin.de/

Das Land aus Feuer und Eis (und einer Fußballmannschaft)

Das Land aus Feuer und Eis (und einer Fußballmannschaft)
Freude

Ich bin – zugegeben – kein Fußballfan, aber seit einem Urlaub vor zwei Jahren Island-Fan. Und daher habe ich die erstaunliche Erfolgsgeschichte der isländischen Mannschaft bei dieser Europameisterschaft mit wachsender Begeisterung und wachsendem Staunen verfolgt. Staunen darüber, was dieses Team vor anderen auszeichnet, gar nicht so sehr als Fußballspieler (das kann ich gar nicht beurteilen), sondern eben als Team.

Dabei bin ich in der Frankfurter Sonntagszeitung vom 3. Juli über einen interessanten Artikel über die beiden (!) Nationaltrainer Islands gestoßen. Deren Zusammenarbeit ist ein hervorragendes Beispiel für Diversity und Wissens- und Erfahrungstransfer:

Lars Lagerbäk (67 Jahre, Schwede, Fußballlehrer) und Heimir Hallgrimsson (49 Jahre, Isländer, Zahnarzt) sind gleichberechtigte Trainer der isländischen Mannschaft, zumindest bisher, nach der EM (und nach erfolgreich gelebtem Transfer von Wissen und Erfahrung) wird Lagerbäk den Trainerposten alleine seinem isländischen Partner überlassen. Der Schwede wird als erfahren, solide und verlässlich beschrieben, der Isländer als leidenschaftlich, begeisterungsfähig, frech und redefreudig, aber auch als ein hervorragender Analyst und exzellenter Verkäufer des Produkts „Spitzenfußball“ in Island. Zitat: „Wir sind sehr unterschiedlich, aber zusammen sind wir ein guter Coach.“ (Hallgrimsson)

Unterschiedliche Kompetenzen und Eigenschaften, die sich im Team wiederfinden, das durchaus konzentriert Fußball spielen kann, aber dabei – so scheint es – Leidenschaft und Spaß nicht verliert.

Interessant auch die bewusste Einbindung des Umfelds (die Fans als sprichwörtlicher 12. Mann): Um die Verbundenheit der Fans mit ihrer Mannschaft zu stärken, hat Hallgrimsson lange vor der EM konsequent vor Spielen den größten isländischen Fanclub besucht und Insiderwissen zu Aufstellung und Taktik weitergegeben und mit den Fans diskutiert. Wer eines der Island-Spiele im Fernsehen verfolgt hat, wird nicht in Frage stellen, dass die Fans ihre Mannschaft leidenschaftlich (Huuuu!) mittragen.

Was mir bei diesem Team am eindrücklichsten ist, ist die offensichtliche Freude, der Spaß am eigenen Tun und am eigenen Erfolg. Vielleicht ist das ja das eigentliche Geheimnis. Also: Lassen Sie uns mehr Spaß in die (Team)Arbeit bringen!

Bild: Berliner Zeitung

Transparentes Gärtnern – Zukunft der (Wissens)Arbeit?

Nun gab es länger nichts Neues mehr in meinem Blog – ich war im Urlaub. Und wie es im Urlaub so ist, frau kommt mal wieder zum Lesen. Und da bin ich über zwei interessante Dinge gestolpert, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:

Die – zahlreichen und aufwändigen – Sportstätten, die in London für die Olympischen Spiele 2012 gebaut wurden, wurden 4 Monate vor (!) Termin fertiggestellt und blieben dabei auch noch deutlich unter dem veranschlagten Budget. Im Gegensatz zu anderen, vergleichbaren Großprojekten (wir denken mal an den Berliner Flughafen, Stuttgart 21 oder die Elbphilharmonie) hat der deutsche (hört, hört) Projektmanager permanent den Status einschließlich aller Risiken transparent in eine breite Öffentlichkeit (nun ja, im Grunde ist diese breite Öffentlichkeit bei öffentlichen Projekten ja der eigentliche Sponsor, also der wichtigste Stakeholder, oder nicht?) kommuniziert. Transparenz und offene Kommunikation führen also zu Effizienz und Effektivität anstatt diese zu be-, verhindern?

Und noch ein weiteres Apercu zum großen Thema „neues Arbeiten, neues Führen“: Die Frankfurter Sonntagszeitung hat an den Beispielen Hillary Clinton und Angela Merkel die Frage nach einem weiblichen Politikstil gestellt und dabei das Agieren unserer Kanzlerin mit dem Gärtnern verglichen (was mich als Autorin des Buches Knowledge Gardening, in dem der Manager als Gärtner gefordert wird, natürlich sehr freut). Ich zitiere: „Sylke Tempel hat das in der ZEIT auf die Formel „Decisions versus Dynamics“ gebracht. Damit meinte sie, dass männliche, autokratische Politiker in einer anarchisch-chaotischen Welt versuchen, mit wuchtigen Entscheidungen Macht zu demonstrieren, die sie nicht mehr haben – während sich weibliche Politik auf das Steuern und Einhegen von Dynamiken verlegt, die sich im Kern nicht ändern lassen. Man könnte sagen, Gärtnern statt Gesten.“

Nun muss man diesen anderen Führungsstil nicht mit (biologischen) Geschlechtern gleichsetzen, vielleicht ist es eher ein „Mechanik versus Organisch“? Aber wie dem auch sei, Fragen der Führung sind für die Zukunft produktiver Wissensarbeit entscheidend. Und wie man an den politischen Entwicklungen (Brexit, Trump etc.) aktuell sieht, stellt sich dabei nicht nur die Frage nach der Reife der Führenden, sondern auch der Geführten. Wie bereit sind wir für die neue Art von Führung tatsächlich?