Month: Juni 2016

Transparentes Gärtnern – Zukunft der (Wissens)Arbeit?

Nun gab es länger nichts Neues mehr in meinem Blog – ich war im Urlaub. Und wie es im Urlaub so ist, frau kommt mal wieder zum Lesen. Und da bin ich über zwei interessante Dinge gestolpert, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte:

Die – zahlreichen und aufwändigen – Sportstätten, die in London für die Olympischen Spiele 2012 gebaut wurden, wurden 4 Monate vor (!) Termin fertiggestellt und blieben dabei auch noch deutlich unter dem veranschlagten Budget. Im Gegensatz zu anderen, vergleichbaren Großprojekten (wir denken mal an den Berliner Flughafen, Stuttgart 21 oder die Elbphilharmonie) hat der deutsche (hört, hört) Projektmanager permanent den Status einschließlich aller Risiken transparent in eine breite Öffentlichkeit (nun ja, im Grunde ist diese breite Öffentlichkeit bei öffentlichen Projekten ja der eigentliche Sponsor, also der wichtigste Stakeholder, oder nicht?) kommuniziert. Transparenz und offene Kommunikation führen also zu Effizienz und Effektivität anstatt diese zu be-, verhindern?

Und noch ein weiteres Apercu zum großen Thema „neues Arbeiten, neues Führen“: Die Frankfurter Sonntagszeitung hat an den Beispielen Hillary Clinton und Angela Merkel die Frage nach einem weiblichen Politikstil gestellt und dabei das Agieren unserer Kanzlerin mit dem Gärtnern verglichen (was mich als Autorin des Buches Knowledge Gardening, in dem der Manager als Gärtner gefordert wird, natürlich sehr freut). Ich zitiere: „Sylke Tempel hat das in der ZEIT auf die Formel „Decisions versus Dynamics“ gebracht. Damit meinte sie, dass männliche, autokratische Politiker in einer anarchisch-chaotischen Welt versuchen, mit wuchtigen Entscheidungen Macht zu demonstrieren, die sie nicht mehr haben – während sich weibliche Politik auf das Steuern und Einhegen von Dynamiken verlegt, die sich im Kern nicht ändern lassen. Man könnte sagen, Gärtnern statt Gesten.“

Nun muss man diesen anderen Führungsstil nicht mit (biologischen) Geschlechtern gleichsetzen, vielleicht ist es eher ein „Mechanik versus Organisch“? Aber wie dem auch sei, Fragen der Führung sind für die Zukunft produktiver Wissensarbeit entscheidend. Und wie man an den politischen Entwicklungen (Brexit, Trump etc.) aktuell sieht, stellt sich dabei nicht nur die Frage nach der Reife der Führenden, sondern auch der Geführten. Wie bereit sind wir für die neue Art von Führung tatsächlich?

Shanghai Journal – Nachtrag

Shanghai Journal – Nachtrag
Reutlinger Marienkirche

Wieder zu Hause im idyllischen Reutlingen.

Einen kleinen Nachtrag zu Shanghai gibt es aber noch, wenn auch an anderer Stelle, nämlich in unserem Crowdfunding-Blog.

Nicht verwirren lassen: Im Blog taucht das Bild meines MOOC-Partners Dirk auf, obwohl der Blogbeitrag von mir ist. Irgendwie haben wir noch nicht herausgefunden, wie ich solche Beiträge unter meinem Nutzer auf der Crowdsourcing-Plattform veröffentlichen kann…

 

Shanghai Journal 4

Shanghai Journal 4
Metroplan Shanghai

Letzter Workshop-Tag hier in Shanghai. Großes Thema heute: Lessons Learned.

Einigkeit herrschte darüber, dass Lessons Learned erst dann ihren Nutzen entfalten, wenn sie denn auch genutzt werden (und eben nicht schon durch ihre schiere Dokumentation) und darüber, dass genau diese Nutzung sicherzustellen, die eigentliche große Herausforderung ist.

Uneinigkeit herrschte darüber, wer denn über die relevanten Lessons zu entscheiden bzw. diese zu identifizieren habe. Die chinesischen Teilnehmer tendierten dazu, dass dies doch eine Aufgabe des Projektleiters sei und blieben der Idee eines Workshops mit dem gesamten Team gegenüber recht skeptisch.

Überhaupt, Partizipation. Das Konzept Wiki ist weitgehend unbekannt und erzeugt eher großes Erstaunen und wiederum Skepsis, dass ein solch offener Ansatz funktionieren kann. Vor allem die Idee, einen Artikel eines Kollegen zu bearbeiten und damit indirekt Kritik daran zu üben, wird wohl eher als unangemessen empfunden.

Was heißt dies nun für vermeintlich globale Lösungen für Wissensmanagement? Kann es diese wirklich geben? Und wenn ja, wie groß muss der Spielraum für lokale Ausprägungen sein, damit sie wirklich global funktionieren?

Nun ja, ein langer Flug steht bevor mit genügend Zeit zum Nachdenken. Die Zeit hier in Shanghai war jedenfalls reich an Denkanregungen und neuen Erfahrungen. Vor allem die Erfahrung mit netten, neugierigen und interessierten Menschen an einem Thema, Wissensmanagement, zu arbeiten, das einen deutlich höheren Stellenwert hat als erwartet.

Good bye, Shanghai.

Shanghai Journal 3

Shanghai Journal 3
Kartenspieler Shanghai

Leiden wir an einer Art post-kolonialer Wissensvorsprungs-Arroganz?

Während des heutigen Workshops hat sich eine interessante Diskussion zum „cross-cultural knowledge sharing“ entspannt, während derer – interessanterweise zunächst die nicht-chinesischen, nach Shanghai entsandten internationalen Mitarbeiter – feststellten, dass Energie hauptsächlich in den Wissenstransfer von Deutschland aus in die Niederlassungen, vornehmlich die in Asien, fließe und die Strukturen und Prozesse auch hauptsächlich darauf ausgerichtet seien, nicht aber auf einen Wissenstransfer in die andere Richtung, also aus den Niederlassungen nach Deutschland bzw. in andere Standorte. Dies trifft keineswegs nur auf dieses Unternehmen zu, sondern meiner Erfahrung nach auf viele internationale Unternehmen (und auch nicht nur auf die mit Zentrale in Deutschland).

Dies rührt sicher aus einer Anfangszeit her, in der die hiesigen Niederlassungen in erster Linie als günstige Produktionsstandorte gegründet wurden und erst einmal vor allem Wissen aufgebaut werden musste. Doch übersieht eine Konzernmutter wohl oft – ähnlich einer realen Mutter – dass das Kind inzwischen gereift und herangewachsen ist und nicht nur selbstständig agieren kann, sondern auch selbst Wissen entwickelt, das für das Gesamtunternehmen wertvoll sein kann – wenn man es denn (an)erkennt, verbreitet und nutzt.   

Überhaupt, die Konzernmutter „gluckt“ relativ häufig, um bei dem Vergleich mit einer realen Mutter zu bleiben: So besteht oft die Überzeugung, dass Wissenstransfer nur über den Hub „Mutter“ funktionieren kann, nicht aber unmittelbar zwischen den Niederlassungen. Und wenn es um das Lösen von lokalen Problemen geht, übernimmt dies allzu häufig ein deutscher Experte. Dies hat zwei potenzielle Nachteile: Zum einen ist diese „deutsche“ Lösung oft dem lokalen Kontext nicht angemessen. Zum anderen werden die Niederlassungen in einer gewissen Abhängigkeit gehalten. Besser wäre es, der deutsche Experte würde die lokalen Experten bei einer eigenen Problemlösung unterstützen und anleiten anstatt zu versuchen, das Problem an ihrer Stelle zu lösen – auch wenn das einem deutschen Ingenieur sicherlich schwer fallen mag.

Und noch ein Gedanke zum Abschluss: Sicherlich hat die hohe Fluktuation gerade in den asiatischen Ländern viele Gründe, das große Angebot auf dem Arbeitsmarkt, Mentalität usw. Eventuell leider wir hier aber auch an einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Weil wir die Kollegen in Asien bewusst „kurz halten“, sind diese auch bereit zu wechseln, weil sie sich in einer anderen Organisation gegebenenfalls nicht nur ein höheres Gehalt, sondern auch bessere Entwicklungsmöglichkeiten als Wissensarbeiter erhoffen. Wäre doch möglich, oder?

Fortsetzung folgt.