Das Land aus Feuer und Eis (und einer Fußballmannschaft)

Das Land aus Feuer und Eis (und einer Fußballmannschaft)
Freude

Ich bin – zugegeben – kein Fußballfan, aber seit einem Urlaub vor zwei Jahren Island-Fan. Und daher habe ich die erstaunliche Erfolgsgeschichte der isländischen Mannschaft bei dieser Europameisterschaft mit wachsender Begeisterung und wachsendem Staunen verfolgt. Staunen darüber, was dieses Team vor anderen auszeichnet, gar nicht so sehr als Fußballspieler (das kann ich gar nicht beurteilen), sondern eben als Team.

Dabei bin ich in der Frankfurter Sonntagszeitung vom 3. Juli über einen interessanten Artikel über die beiden (!) Nationaltrainer Islands gestoßen. Deren Zusammenarbeit ist ein hervorragendes Beispiel für Diversity und Wissens- und Erfahrungstransfer:

Lars Lagerbäk (67 Jahre, Schwede, Fußballlehrer) und Heimir Hallgrimsson (49 Jahre, Isländer, Zahnarzt) sind gleichberechtigte Trainer der isländischen Mannschaft, zumindest bisher, nach der EM (und nach erfolgreich gelebtem Transfer von Wissen und Erfahrung) wird Lagerbäk den Trainerposten alleine seinem isländischen Partner überlassen. Der Schwede wird als erfahren, solide und verlässlich beschrieben, der Isländer als leidenschaftlich, begeisterungsfähig, frech und redefreudig, aber auch als ein hervorragender Analyst und exzellenter Verkäufer des Produkts „Spitzenfußball“ in Island. Zitat: „Wir sind sehr unterschiedlich, aber zusammen sind wir ein guter Coach.“ (Hallgrimsson)

Unterschiedliche Kompetenzen und Eigenschaften, die sich im Team wiederfinden, das durchaus konzentriert Fußball spielen kann, aber dabei – so scheint es – Leidenschaft und Spaß nicht verliert.

Interessant auch die bewusste Einbindung des Umfelds (die Fans als sprichwörtlicher 12. Mann): Um die Verbundenheit der Fans mit ihrer Mannschaft zu stärken, hat Hallgrimsson lange vor der EM konsequent vor Spielen den größten isländischen Fanclub besucht und Insiderwissen zu Aufstellung und Taktik weitergegeben und mit den Fans diskutiert. Wer eines der Island-Spiele im Fernsehen verfolgt hat, wird nicht in Frage stellen, dass die Fans ihre Mannschaft leidenschaftlich (Huuuu!) mittragen.

Was mir bei diesem Team am eindrücklichsten ist, ist die offensichtliche Freude, der Spaß am eigenen Tun und am eigenen Erfolg. Vielleicht ist das ja das eigentliche Geheimnis. Also: Lassen Sie uns mehr Spaß in die (Team)Arbeit bringen!

Bild: Berliner Zeitung

Shanghai Journal 3

Shanghai Journal 3
Kartenspieler Shanghai

Leiden wir an einer Art post-kolonialer Wissensvorsprungs-Arroganz?

Während des heutigen Workshops hat sich eine interessante Diskussion zum „cross-cultural knowledge sharing“ entspannt, während derer – interessanterweise zunächst die nicht-chinesischen, nach Shanghai entsandten internationalen Mitarbeiter – feststellten, dass Energie hauptsächlich in den Wissenstransfer von Deutschland aus in die Niederlassungen, vornehmlich die in Asien, fließe und die Strukturen und Prozesse auch hauptsächlich darauf ausgerichtet seien, nicht aber auf einen Wissenstransfer in die andere Richtung, also aus den Niederlassungen nach Deutschland bzw. in andere Standorte. Dies trifft keineswegs nur auf dieses Unternehmen zu, sondern meiner Erfahrung nach auf viele internationale Unternehmen (und auch nicht nur auf die mit Zentrale in Deutschland).

Dies rührt sicher aus einer Anfangszeit her, in der die hiesigen Niederlassungen in erster Linie als günstige Produktionsstandorte gegründet wurden und erst einmal vor allem Wissen aufgebaut werden musste. Doch übersieht eine Konzernmutter wohl oft – ähnlich einer realen Mutter – dass das Kind inzwischen gereift und herangewachsen ist und nicht nur selbstständig agieren kann, sondern auch selbst Wissen entwickelt, das für das Gesamtunternehmen wertvoll sein kann – wenn man es denn (an)erkennt, verbreitet und nutzt.   

Überhaupt, die Konzernmutter „gluckt“ relativ häufig, um bei dem Vergleich mit einer realen Mutter zu bleiben: So besteht oft die Überzeugung, dass Wissenstransfer nur über den Hub „Mutter“ funktionieren kann, nicht aber unmittelbar zwischen den Niederlassungen. Und wenn es um das Lösen von lokalen Problemen geht, übernimmt dies allzu häufig ein deutscher Experte. Dies hat zwei potenzielle Nachteile: Zum einen ist diese „deutsche“ Lösung oft dem lokalen Kontext nicht angemessen. Zum anderen werden die Niederlassungen in einer gewissen Abhängigkeit gehalten. Besser wäre es, der deutsche Experte würde die lokalen Experten bei einer eigenen Problemlösung unterstützen und anleiten anstatt zu versuchen, das Problem an ihrer Stelle zu lösen – auch wenn das einem deutschen Ingenieur sicherlich schwer fallen mag.

Und noch ein Gedanke zum Abschluss: Sicherlich hat die hohe Fluktuation gerade in den asiatischen Ländern viele Gründe, das große Angebot auf dem Arbeitsmarkt, Mentalität usw. Eventuell leider wir hier aber auch an einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Weil wir die Kollegen in Asien bewusst „kurz halten“, sind diese auch bereit zu wechseln, weil sie sich in einer anderen Organisation gegebenenfalls nicht nur ein höheres Gehalt, sondern auch bessere Entwicklungsmöglichkeiten als Wissensarbeiter erhoffen. Wäre doch möglich, oder?

Fortsetzung folgt.

Shanghai Journal 1

Shanghai Journal 1
shanghai

Heute war mein erster Workshop-Tag hier in Shanghai. Ich bin hier, um die Mitarbeiter am chinesischen Standort eines deutschen Automobilzulieferers in persönlichem Wissensmanagement und vor allem effektivem Wissenstransfer zu schulen. Das Workshop-Konzept hierzu ist in Deutschland entstanden und mit den dortigen Mitarbeitern erprobt. Ich war also reichlich nervös, um ehrlich zu sein, ob dieses Konzept auch im chinesischen Kontext mit ausschließlich chinesischen Teilnehmern funktionieren wird.

Hier meine (ersten) Erfahrungen:

Workshop-Teile, in denen eine Frage an das Plenum gestellt wird und Einzelne mit ihrer Meinung hervortreten müssten, funktionieren nicht. Die gleiche Frage als Kleingruppenarbeit gestellt, an deren Ende ein Mitglied der Gruppe das gemeinsame Arbeitsergebnis präsentiert funktionieren hingegen gut. Nicht weiter überraschend, oder?

Überraschender war da schon, dass ein sehr großes Interesse am Thema Wissensmanagement besteht (beide angebotene Termine waren sehr schnell komplett ausgebucht und das Training soll mit lokalen Trainern auch nach meiner Abreise weiterhin angeboten werden). Die Teilnehmer sind sehr neugierig und haben ein durchaus differenziertes Konzept von ‚Wissen‘. Die These, dass neben Dokumentation vor allem Kommunikation und (persönliche) Interaktion wesentlich sind, stößt auf spontane Zustimmung und wenig Erstaunen. Trotz zahlreicher Restriktionen hinsichtlich der im Internet verfügbaren Informationsquellen (Google und Youtube beispielsweise sind nicht verfügbar, Wikipedia erstaunlicherweise ist nicht bekannt), ist die Informationsakquise über offene Quellen im Internet, wie z. B. MOOCs und TED, viel weiter verbreitet als in Deutschland und wird als Instrument eines persönlichen Wissensmanagements mit hoher Priorität genannt. Überhaupt das persönliche Wissensmanagement: Das Selbstverständnis als Wissensarbeiter mit einer eigenen Verantwortung hinsichtlich des individuellen Wissenskapitals ist deutlich ausgeprägter als ich das aus europäischen Organisationskontexten kenne.

Ach ja, und schließlich das Dauerthema „Wissen ist Macht“. Hier erntete ich eher bemitleidende oder unverständige Blicke: „But Gabriele, people DO want to share knowledge. It is only about adequate tools and structures.“. Na, dann…

Fortsetzung folgt.

 

(Bildquelle: destructivepixels.com)